Die Erfolgsmessung von Social-Media-Aktivitäten – für Public-Relations-Agenturen und deren Kunden eine Herausforderung. Marketing- und Vertriebsmenschen haben es hier relativ leicht: Seitenzugriffe, Twitter-Follower, Facebook-Fans, Conversion Rates, eine Verbesserung des Sentiments zum Unternehmen und seinen Produkten oder Themen im Dashboard des Tools für Social Media Monitoring – alles schön und gut. Und gut messbar. Zumindest an der Oberfläche – bei genauerem Hinsehen entpuppt sich manche Erfolgsmessung als nicht eben qualitativ. Zu unscharf die automatische Sentimentanalyse, zu willkürlich und zu wenig strategisch fundiert die Suchbegriffe, zu groß die Unsicherheit, wen man überhaupt erreicht hat und warum. Noch herausfordernder und aus der Perspektive vieler PR-Experten kaum möglich: Das Gestalten und Anwenden von Messgrößen für dialogorientierten Einsatz von Social Media in der Unternehmenskommunikation.
Einige Gedanken dazu, die sich in den vergangenen Monaten aus der Praxis und diversen Strategieprozessen ergeben haben:
- Zielgrößen müssen von Zielen abgeleitet werden. Kann es ein sinnvolles Ziel sein, 1.000 Follower bei Twitter zu sammeln?
- Relevanz und Reichweite sollten gleichermaßen berücksichtigt werden. Wie wäre es, die kollektive Social-Media-Autorität der Akteure eines Unternehmens zu messen? Das bedeutet: Wenn ein Kernteam von X Menschen in Social Networks und auf Social-Media-Plattformen den Markenbotschafter fürs Unternehmen gibt, dann lässt sich messen, wie reichweitenstark und gut vernetzt diese Markenbotschafter gemeinsam sind.
- Erreichen die Social-Media-Aktivitäten überhaupt Menschen? Lösen sie Reaktionen aus? Der Interaktionsgrad mit dem Unternehmen und seinen Sprechern bzw. Mitarbeitern ist ein Anhaltspunkt. Es kommt weniger auf die Anzahl der Abonnenten an (Twitter-Follower oder Facebook-Fans etc.), sondern auch insbesondere auf die Frage, ob das Veröffentlichte relevant für die Abonnenten ist. Anhaltspunkte liefern etwa Mentions, Retweets und Shares, Aufnahmen in Twitter-Listen, Scores bei Tools wie Klout et al. Klout glänzt aus meiner Sicht insbesondere durch die Offenlegung zahlreicher interessanter kommunikativer Werte (bis hin zu „Unique Likers“ bei Facebook) neben dem Gesamt-Score.
Doch nicht nur direkte Messgrößen sind relevant. Wertvolle Anhaltspunkte sind auch die jeweilige Anzahl
- eingehender Kunden- und Kooperationsanfragen über Social-Media-Kanäle/aufgrund von Social-Media-Akvititäten
- eingehender Initiativbewerbungen, die sich auf Präsenz im Web zurückführen lässt
- von Anfragen an in Social Media aktive Mitarbeiter, bei Events zu sprechen und Vorträge zu halten
- von Interviewanfragen klassischer Medien, die auf Social-Media-Präsenz zurückgehen
- von Fällen erfolgreichen Agenda Settings über Social-Media-Kanäle
- von Fällen, in denen Themen erfolgreich kanalisiert wurden (nennen wir es Agenda Cutting)
Und als Gegenindikator: Anzahl von Fällen, in denen wir Fehler machen und Themen eskalieren.
All diese Messgrößen lassen sich – mit entsprechender Liebe zum Detail und einigem Aufwand – hervorragend periodisch erheben, verdichten und zur Erfolgskontrolle verwenden.
Und letztlich gilt es auch die spontanen Big Wins zu betrachten: Wer konsequent dialogorientiert im Social Web präsent ist, der erlebt sie nicht selten. Neue Mitarbeiter, die man sonst nicht gewonnen hätte. Aufträge, die man sonst nicht erhalten hätte. Neue Kontakte, die man sonst nicht geknüpft hätte. Produktinnovation, die es sonst nicht gegeben hätte. Wichtig ist es, diese Erfolge von Social-Media-Aktivitäten auch als solche zu registrieren, zu dokumentieren und ggf. den Budgetverantwortlichen im Management vor Augen zu halten.
Welche Messgrößen empfehlen sich zudem zur Bewertung PR-/dialogorientierter Social-Media-Aktivitäten? Ich freue mich, wenn hier eine kleine Sammlung ensteht.
Sehr schöner Aufschlag, ich würde nur noch ergänzen wollen: Das Veröffentlichte muss nicht nur relevant für Abonnenten sein sondern auch fürs Unternehmen – sonst posten alle nur noch Katzenvideos…
Mich würde noch die Frage nach dem Initialaufwand interessieren. Baue ich als Mittelständler eine Präsenz in sozialen Netzwerken auf, tut sich meistens zunächst wenig – zumindest, wenn man auf organisches Wachstum durch Inhalte und Dialog und nicht auf kurzfristig wirksame Kampagnen setzt. Eine auf der Nachhaltigkeit von Social-Media-Maßnahmen basierende Argumentation hat es m.E. aber schwer, sich gegen kurzfristige Marketingziele zu behaupten. Hier treten ja „weiche“ Parameter (Reputation, Aufbau einer Fanbasis) gegen Absatz- und andere Zahlen an. Direkte Messgrößen helfen also nicht, wenn es um die ersten Schritte geht, es geht vielmehr darum, die von Dir genannten Benefits zu verdeutlichen – am besten anhand von Erfolgsbeispielen.
Ich denke, sowohl im Artikel, als auch im Kommentar, fehlt eine explizite Unterscheidung zwischen quantitativen Zielen und qualitativen Zielen. Ziele müssen per se erst einmal messbar und daher quantitativ sein, von daher kann man das den Zielen an sich nicht „vorwerfen“. Aber, und damit hat Bernhard Jodeleit Recht, zum einen fehlt dann die qualitative Messung und Bewertung und zum anderen ist es überhaupt die Frage, ob der Einsatz von Social media primär monetären Zielen dient. Hier geeignete Tools zu entwickeln wäre sicherlich eine äußerst reizvolle und spannende Aufgabe.
@Uwe: ich denke, noch nciht einmal der Aufbau einer fanbasis ist das schwierigste, sondern die fans dazu zu bewegen, sich aktiv und gerne mit den Kommunikationsbotschaften auseinander zu setzen…und das ist bei 3 fans genauso schwierig wie bei 3000…
Hi Thorsten, das ist genau was ich meine: Fans zu erreichen, dazu reicht ein Testimonial oder ein witziges Video. Aber Nutzer lassen sich nur unter Einsatz von aufwändigen Strategien als konstruktive Kritiker von Markenbotschaften gewinnen.
Beispiel Produktbewertung: Ein Like ist noch keine Meinung, dazu braucht es schon echte nutzergenerierte Inhalte – und die lassen sich nur mühsam generieren. Unternehmen stellen nur Plattformen/Tools zur Verfügung, die Nutzer machen was draus – wenn das klappt, ist das im Übrigen auch gut messbar.
Uwe, die Relevanz ist natürlich der Schlüssel zum Erfolg. Entsprechend gehört eine medienübergreifende, granulare Themenplanung unbedingt dazu. Ideal ist es, wenn Marketing und PR hier zusammenarbeiten. Wenn zudem entsprechende Prozesse, Zuständigkeiten festgezurrt und Synergien genutzt werden. Ist ein richtiger Change-Prozess. Doch in dessen Rahmen kommt dann auch wieder die Frage nach der Messbarkeit, insbesondere in den PR-Disziplinen. Marketing und Vorstand/GL kommen oft früher oder später mit der Frage, was die Aktivitäten der Unternehmenskommunikation in SoMe denn bringen. Hat man da nicht die richtigen Antworten oder arbeitet man nicht sowieso sehr integriert und gemeinsam mit den Marketing, dann kriegt man als PR-Mensch ein Problem.
Was ich andeuten möchte, ist, dass die von Dir „weich“ genannten Parameter vielleicht gar nicht so weich und durchaus messbar sind. Und dass PR den Mut haben muss, ihre eigenen Zielgrößen zu definieren, die im Zweifel in anderen Währungen gemessen werden als die Ergebnisse einer Marketingkampagne in Social Media.
hm…klar ist das schwierig und mühsam erstmal das Interesse zu wecken und dieses dann in Aktivität/USG zu überführen…und das dauert :(
Aber ich glaube, es geht auch erst in einem zweiten Schritt um konstruktive Kundenkritik am Unternehmen und dessen Produkten/Dienstleistungen. In erster Linie und da zitiere ich Mirko Lange, geht es darum, Nähe zu schaffen und das bedeutet in erster Linie für den Kunden da zu sein.
Hast du denn schon erste Ideen für eine Richtung der „vielleicht durchaus messbaren Parameter“? Bin nämlich in einer relativ ähnlichen Situation, da ich die SoMe-Aktivitäten meines AGs betreue, aber auch andere Messzahlen suche (es müsste in die Richtung Aktivität und deren Qalität und Häufigkeit gehen, auch müsste man messen, in wie weit die User von sich aus „im Sinne des Unternehmens sprechen…) und mir Gedanken mache, was über Fans/Follower etc. hinausgeht…in jedem Fall ist es eine Marktlücke, wenn cih es „entdeckt“ habe :)
Mir fehlt da eine (für mich persönlich stets relevante) Messgröße, die leider ständig vergessen wird. Dialogorientierte Nähe schaffen wurde schon genannt und ist aktuell der wichtigste Punkt. Aber es geht nicht nur ums Zuhören, oder dass sich Leute mit den Inhalten der Firma beschäftigen. In weiterer Folge muss es auch möglich sein, jene Veränderungen die per Kritik/Vorschlägen/Informationsbedarf an ein Unternehmen gerichtet werden umzusetzen und diesen Beitrag auch darzustellen. Darum sollte es eigentlich bei moderner PR gehen: zuhören, informativ arbeiten und dann die Achse Kunde/Unternehmen persönlich/ehrlich/tatsächlich vereinbaren.