Coca-Cola Deutschland hat die Integration von Social Media in die Unternehmenskommunikation im Rahmen eines umfassenden Strategieprozesses vorangetrieben. Über die Erfolgsrezepte hinter der Strategie habe ich mich mit Patrick Kammerer, Director Public Affairs and Communications Coca-Cola Deutschland, und Hermin Charlotte Bartelheimer, Senior Manager Digital Engagement, unterhalten. Sie geben Auskunft darüber, wie Coca-Cola Deutschland Shitstorms verhindert, überzeugend und glaubwürdig den Dialog führt, ein ausgeklügeltes Monitoring betreibt und sich auf die Social-Media-Entwicklungen der Zukunft vorbereitet. Ein Blick hinter die Kulissen.

Das Interview ist ein Auszug aus der im November 2012 erschienenen Neuauflage meines Fachbuchs „Social Media Relations“. Wenn Sie möchten, können Sie eine kostenlose Leseprobe des Buches bestellen – nutzen Sie dazu einfach das Formular unten auf dieser Seite.

Bernhard Jodeleit: Herr Kammerer und Frau Bartelheimer, Coca-Cola ist auf Social-Media-Plattformen ja omnipräsent. Daher lassen Sie uns zunächst einmal eine kurze Positionsbestimmung vornehmen.

Patrick Kammerer, Director Public Affairs and Communications Coca-Cola Deutschland

Patrick Kammerer, Director Public Affairs and Communications Coca-Cola Deutschland

Kammerer: Die Kommunikation mit den Konsumenten ist seit über 125 Jahren eine der Stärken von Coca-Cola – weltweit. Durch Social Media eröffnen sich noch mehr Möglichkeiten – sowohl für die Verbreiterung der Kommunikation, als auch für die Vertiefung des Dialogs. Coke ist im Real Life nahezu immer und überall präsent, und für uns ist es ganz selbstverständlich, dass unsere Marke diesem Anspruch auch digital gerecht wird. Wir nennen das „Digital Ubiquity“. Wie sieht diese umfassende digitale Präsenz aus? Unsere Facebook-Seite ist mit jüngst mehr als 50 Millionen Fans die größte Facebook Page eines Unternehmens weltweit. Über 1,2 Millionen Fans davon sind aus Deutschland. Unser Ziel ist es, täglich mit ihnen im Kontakt zu stehen.

Ist Facebook für Coca-Cola gleichzusetzen mit Omnipräsenz?

Bartelheimer: Wenn man sich diese Zahlen vor Augen hält, kann man sicherlich bei Facebook von einem Massenmedium sprechen. Die “Digital Ubiqity“ bezieht sich aber auf das Social Web allgemein. Die Zahl der Gespräche über unsere Produkte nimmt stetig zu. Nun stellt sich die Frage: Wollen wir mit Hilfe der vielfältigen Social Media Tools nur zuhören oder wollen wir aktiv mitmachen? Die Antwort ist klar. Wir wollen aktiver Teil der Community sein und uns sehr gerne mit Konsumenten, Bloggern und Social Media Influencern austauschen. Unsere gemeinsamen Themen sind dabei vielfältig: Musik, Aktivität, Sport, Lebensfreude, Mythos und Weihnachten, alles, womit man Coca-Cola verbindet! Wir scheuen uns auch nicht, den Dialog mit kritischen Usern zu führen. Wie immer im Leben gilt auch da: erst zuhören, dann sprechen.

Also fangen auch wir mit dem Part Zuhören an – Wie läuft das bei Coca-Cola konkret ab?

Hermin Charlotte Bartelheimer, Senior Manager Digital Engagement, Coca-Cola Deutschland

Hermin Charlotte Bartelheimer, Senior Manager Digital Engagement, Coca-Cola Deutschland

Bartelheimer: Stellen Sie sich vor, wieviel Buzz es zu dem nach „OK“ weltweit bekanntesten Ausdruck, Coca-Cola, gibt! Daher haben wir ein ausgefeiltes Monitoring- und Evaluations-System entwickelt. Unser System hat zwei Besonderheiten. Erstens: Alle Online-Ereignisse werden in einem objektiven, ausgefeilten Bewertungssystem nach Relevanz eingeordnet. Weil das Social Web keine klassischen Bürotage kennt, läuft das Monitoring täglich. So haben wir jeden Tag, 24/7/365, ein Gefühl dafür, wie die Stimmung im Web ist. Wir lernen täglich dazu, wie wir die Bedeutung von Kritik oder die Bedeutung von Lob und Begeisterung für uns besser einschätzen können. Das bringt mich zu der zweiten Besonderheit unseres Monitoring-Systems: Alle Erkenntnisse aus dem Monitoring werden direkt in konkrete Handlungen übersetzt. Wir leiten ab, wie wir mit dem jeweiligen Ereignis im Social Web strategisch umgehen. Wir nutzen schnell kommunikative Chancen und verbreiten positive Themen und Dialoge über unsere Kanäle. Wenn ein kritisches Thema ansteht – und die gibt es für jedes große Unternehmen mit bekannten Marken – können wir uns in der Regel sehr rasch ein Bild machen, uns darauf vorbereiten und den im Vorfeld durchdachten Prozessen folgen. Das Ganze ist genau festgelegt, dahinter steckt viel internationale Expertise. Das fängt bei der bereits objektiven Bewertung und Einstufung von Kritik an. Und es reicht bis zu den konkreten Abläufen und Zuständigkeiten bei der Beantwortung von Fragen und der angemessenen Reaktion darauf, wenn sich Diskussionen im Netz dynamisch entfalten.

Hat sich das schon in der Praxis bewährt?

Kammerer: Wir lernen jeden Tag dazu. Und wir trauen uns, etwas zu riskieren. Nicht nur in der Werbung, sondern auch im Dialog mit unseren Konsumenten. Wer mit dem Tempo der Kommunikation in den Social Networks mithalten will, muss schnell aus den Startblöcken kommen. In diesem Jahr sind wir deshalb mehrfach sehr frühzeitig aktiv in den Dialog zu kritischen Themen gegangen. Ein konkretes Beispiel war die ARD-Sendung „Markencheck“ des WDR im Frühjahr. Das Strickmuster der Sendereihe ist bekannt. Glatt links, eine fallen lassen. Mehrere große Marken haben damit schon unschöne Bekanntschaft gemacht. Stichwort: Wo ist das Gesicht für die Ohrfeige? Kein großer Journalismus. Aber ordentlich Quote. Muss man als Medienmann anerkennen. Im Netz gab es bereits zahlreiche kritische Kommentare von Zuschauern, denen das zu simpel war. Auch in den Zeitungen nahm die Kritik an der Machart in den Besprechung der Sendungen zu. Vor diesem Hintergrund haben wir überlegt: Wie können wir mit den Zuschauern ins Gespräch kommen, die die Sendung sehen werden – und unsere Sicht der Dinge darlegen? Die Sendung schauten am Ende 3,3 Millionen Menschen. Darunter auch viele Digital Natives. Auf deren Wirklichkeit und Kommunikationsvorlieben haben wir uns eingestellt: Während TV-Sendungen steigt das Google-Suchvolumen nach Marken massiv an. Gleichzeitig werden die Themen aus den Sendungen in den Social Networks live diskutiert – und das nicht irgendwo, sondern auch auf unseren eigenen Plattformen. Das wussten wir. Und so haben wir uns entsprechend darauf vorbereitet: Bei Google haben wir eine Ad-Words-Kampagne geschaltet und damit sichergestellt, dass wichtige Fakten zu den besprochenen Themen weiter oben in der Suche erscheinen. Bei Twitter und Facebook waren wir live dabei. Wir haben während der Sendung über Twitter kommuniziert und unmittelbar zu Behauptungen aus der Sendung Stellung bezogen, Links zu Studien verschickt, Fakten vermittelt, die die Sendung nicht nannte. Wir sind auch nach der Sendung online im Gespräch geblieben und haben uns bis in die Nacht hinein den Fragen der Konsumenten gestellt. Dafür haben wir auch viel Lob erhalten. Die meinungsbildenden Nutzer im Web haben es geschätzt, dass wir präsent waren und umgehend antworten konnten. Sie fanden es gut, dass wir den Dialog aktiv eröffnet und dabei unsere Sicht der Dinge selbstbewusst vertreten haben.

Sind Sie der Meinung, dass Sie damit einen sogenannten Shitstorm gegen Coca-Cola verhindert haben, eine großen Entrüstungssturm im Social Web?

Kammerer: Wenn ich nach den meisten Kommentaren im Netz gehe, glaube ich nicht, dass das diesmal in der Luft lag. Ich kann jedoch nur von den Fakten ausgehen. Die belegen, dass die Nutzer überwiegend positiv auf unseren Dialogansatz reagiert haben. Auf Facebook haben wir beispielsweise eine deutlich positivere Sentiment-Ratio erzielt im Vergleich mit Unternehmen, die bei anderen Folgen des „Markenchecks“ thematisiert wurden. Durch die Google-Ad-Words-Kampagne haben wir 144.000 relevante Impressions erzielen können. Insgesamt haben wir rund 450.000 User erreicht. Mehrere Kommentare auf Twitter lauteten: „Ich wusste gar nicht, dass Coke …“. Das ist ein großartiger Ansporn für unser Team! „We are what they know“: Das gilt mit Blick auf Journalisten ebenso wie hinsichtlich der Konsumenten. Wenn wir unsere Sicht der Dinge nicht selbst aktiv darstellen, tun es andere für – und manchmal auch gegen – uns.

Wie geht Coca-Cola Deutschland beim aktiven Themensetzen in Social Media vor?

Bartelheimer: Mit viel Liebe zum Detail! Unsere Kampagnen auf nationaler und internationaler Ebene sorgen ja zunächst einmal für eine enorme Aufmerksamkeit und Reichweite. Aber wer reine Nabelschau betreibt, hat nicht verstanden, wie das Social Web tickt. Wichtig ist zu hinterfragen: Was interessiert die Fans? Und wie können wir Beziehungen aufbauen zu den relevanten Multiplikatoren, die sich wie wir mit den unterschiedlichen Facetten rund um Lebensfreude beschäftigen? Da gibt es die Musikinteressierten, die Fashion- und Lifestyle-Blogger, die Ernährungsexperten, die Sportblogger oder auch PR- und Marketingblogs. Das ist schon eine riesen Bandbreite. Hier sind das Wichtigste Networking und persönliche Beziehungspflege. Wir nehmen uns bei jedem Thema ausreichend Zeit, ganz genau hinzuschauen, welche – in der Regel wenigen – Influencer wir direkt ansprechen, um sie kennenzulernen, mit Informationen zu versorgen, zu einem Gespräch einzuladen. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Mittlerweile sind dabei wirklich enge, sogar freundschaftliche Kontakte gewachsen. Unser Motto lautet: „We don’t want to do social, our aim is to be social!“

Wie funktioniert das konkret?

Kammerer: Über Kanäle wie Facebook sprechen wir aktuelle und künftige Fans der Marke an. Wir laden die Menschen ein, mit uns in Interaktion zu treten. Natürlich versuchen wir, Themen für den Dialog zu setzen, unsere Markenwerte zu vermitteln. Das gelingt nur dann, wenn wir zugleich anbieten können, auf Fragen oder Kritik an der Marke oder dem Unternehmen einzugehen. Deshalb kommt es darauf an, neben Reichweite auch immer die Qualität der Kommunikation im Blick zu haben. Content matters.

Auf welche neuen Entwicklungen im Web stellt sich Coca-Cola derzeit ein?

Bartelheimer: Das Web wird schneller, breiter, mobiler, lokaler und visueller. Die Leute posten spontan, was sie gut finden und was sie ablehnen, und sie tun das auch unterwegs. Smartphones ersetzen demnächst die Kreditkarte und werden viel intensiver eingesetzt, um Produkte zu scannen, zu bestellen oder zu bewerten. Erst recht, wenn Fans bei Events und Kampagnen, die wir an den Start bringen, spontan vom Smartphone aus ihre Begeisterung, ihre Lebensfreude mit Coke zum Ausdruck bringen können. Ich glaube, da steckt für Coca-Cola unglaublich viel Potenzial drin.

Hinweis des Autoren in eigener Sache: Coca-Cola gehört zu meinen Kunden. Daher bin ich an dieser Stelle nicht unabhängig.

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