PR-Strategien für Krisenprävention werden gern auf die lange Bank geschoben. Ob es sich um Krisenhandbücher für die klassische Öffentlichkeitsarbeit handelt oder um Strategien, den berüchtigten Social-Media-Shitstorm durch richtige Vorbereitung abzumildern: Häufig besteht in Unternehmen zwar die Einsicht, dass sie sinnvoll sind – doch es herrscht die Angst vor, dass der Aufwand für einen strategischen Krisenpräventionsprozess zu groß sein könnte.
Das muss nicht zwangsläufig der Fall sein, denn: Krisenstrategien für Social Networking und Social Media sind skalierbar. Sie lassen sich in Umfang und Detailtiefe hervorragend an Größe und Krisenpotential beliebiger Unternehmen, Organisationen und Branchen anpassen.
Ein Unternehmen mit Milliardenumsatz und bekannten Marken im Bereich schnelldrehender Konsumgüter benötigt mitunter durchaus ein 50-seitiges Handbuch für Krisenkommunikation im Web 2.0. Das begründet sich in der Vielzahl der beteiligten internen Akteure sowie externen Bezugsgruppen und der möglichen Felder von Kritik. Hier gilt es sowohl inhaltlich als auch prozessual alle denkbaren Szenarien eingehend vorauszuplanen. Das Ganze sollte dann von der Geschäftsleitung verbindlich verabschiedet werden. In einem weiteren Schritt kommt es darauf an, die definierten Prozesse, Zuständigkeiten und Regeln kompakt und leicht verständlich für die beteiligten Akteure aufzubereiten. Kompakte Präsentationen oder Handzettel (Handouts) für PR, Marketing, HR, Rechtsabteilung und weitere beteiligte Abteilungen oder Agenturen sind geeignete Mittel. Ebenso wichtig: Training und Coaching für die Mitarbeiter, die im Fall einer kommunikativen Krise in rauer See agieren müssen, etwa im Rahmen eines Social Media Stresstest.
Krisenprävention mit W-Fragen: Wer? Wie? Was?
Für einen mittelständischen Familienbetrieb mit B2B-Kunden muss es kein 50-Seiten-Handbuch sein. Doch im Grunde gelten die gleichen Anforderungen wie im Großunternehmen. Lediglich die Form ist eine andere, kompaktere. Auch der Einzelkämpfer oder die Fünf-Personen-Kommunikationsagentur können in sinnvoller Art und Weise vorbeugen. Egal wie detailliert die Präventionsstrategie am Ende werden soll und darf, würde ich sie an Ihrer Stelle an den W-Fragen des Journalismus aufhängen. Dabei handelt es sich unter anderem um die folgenden Punkte:
- Was könnte Negatives über Ihre Organisation oder die mit ihr verbundenen Personen publiziert werden?
- Wie könnte sich diese Information weiterverbreiten?
- Wer hätte Interesse, negative Botschaften weiterzutragen, und wer sind im Fall der Fälle Ihre Fürsprecher?
- Wann soll auf negative Kritik reagiert werden und in welchen Fällen nicht?
- Wo erreichen Sie Ihre Fürsprecher am besten? Telefonisch?
- Wer ist im Fall einer Krise für das Monitoring zuständig? Können die Monitoring-Kapazitäten flexibel aufgestockt werden?
- Wer produziert redaktionelle Inhalte, die Antworten auf kritische Fragen liefern?
Krisenpräventionsstrategien in ihrer schlichtesten Form sind Loseblattsammlungen, die oben genannte W-Fragen zu jedem denkbaren Krisenthema auf jeweils maximal einer A4-Seite beantworten.
Größere Unternehmen sind mit einer solchen Loseblattsammlung allemal besser bedient als mit einem kompletten Verzicht auf die Vorbereitung von Krisenszenarien. Doch je komplexer die internen Strukturen und je zahlreicher die externen Anspruchs- und Dialoggruppen, desto dringender die Notwendigeit, ein umfangreiches Krisenhandbuch zu entwickeln. Zu diesem Handbuch gehören vor allem folgende Komponenten:
- Kriterien zur Definition von Krisen
- Prozesse zur Reaktion auf Krisen
- Empfehlungen zur richtigen Tonalität und Vorgehensweise im kritischen Dialog (Dos and Don’ts)
- die inhaltliche Aufbereitung bekannter kritischer Themen, mögliche Statements zu bekannten Kritikpunkten, die im Krisenfall veröffentlicht werden können
Dieses Blogposting ist ein Vorab-Auszug aus der Ende November 2012 erscheinenden Neuauflage des Fachbuchs „Social Media Relations (ISBN 978-3-86490-014-3)“ von Bernhard Jodeleit.