Der folgende Text ist ein Vorab-Auszug aus dem Mitte 2010 erscheinenden Buch Social Media Relations.

Pressearbeit funktioniert vielleicht doch noch ganz traditionell. Bild: photocase.com/ohneski

Pressearbeit funktioniert vielleicht doch noch ganz traditionell. Bild: photocase.com/ohneski

Eine Frage, die in der Beratung relativ häufig auftaucht: Kann ich über Social Networks und Social Media auch Journalisten erreichen? Die Antwort: Ja, man kann, sollte sich aber erstens keinen Illusionen hingeben – das Social Web ist keine Wunderwaffe für effizientere Medienarbeit – und zweitens nicht mit der Tür ins Haus fallen.

Nach wie vor kann ein Thema am Telefon oder im persönlichen Gespräch lanciert und in die Medien gebracht werden – und das macht sogar besonders viel Spaß. Wenn’s denn klappt. Einige Male durfte ich solche Erfolge für mich verbuchen und die Themenplanung von Massenmedien mit Millionenreichweite durch ein persönliches Gespräch mit der entsprechenden Redaktion beeinflussen. Wie ich das gemacht habe? Überredung war nicht im Spiel, auch keine gezinkten Karten. Das Schlüsselwort lautet Vertrauen. Und: Man muss etwas wirklich Interessantes zu sagen haben. In all den Fällen war eine durch mehrmaligen Kontakt gewachsene Vertrauensbeziehung zu den entsprechenden Redakteuren grundlegend. Keine Freundschaft, auch keine intensive Bekanntschaft. Keine Seilschaft. Einfach einige gemeinsame Drehs und Telefonate. Eine funktionierende Arbeitsbeziehung. Verbunden mit der Gewissheit, dass ich keinen allzu blanken Unsinn erzähle, wenn mir vor der Kamera eine Fachfrage gestellt wird. Das reicht schon!

Social Networking erleichtert das Kontakthalten mit Journalisten

Eine relativ oberflächliche, aber persönliche Bekanntschaft zu den Entscheidern in Redaktionen ist die beste Basis für erfolgreiches Agenda Setting. Ich durfte in der Vergangenheit erleben, welches Level an Vertrauen und Effizienz in der Zusammenarbeit selbst mit vermeintlich bissigen oder „gefährlichen“ Medien, gerade im TV-Metier gibt es davon ja einige, möglich ist. Das hat auch ohne Online-PR ganz gut funktioniert. Doch wie viel einfacher wäre es für mich in meiner einige Jahre zurückliegenden Rolle als Sprecher einer Medienmarke gewesen, wenn ich damals schon auf das Web 2.0 hätte zurückgreifen können, um mit den entsprechenden Personen in Kontakt zu bleiben! Damals musste tatsächlich immer wieder ein konkreter Anlass für einen Kontakt geschaffen werden. Da musste ab und zu eine eigentlich gar nicht so interessante Pressemitteilung als Grund zur Kontaktaufnahme herhalten – zumindest anfangs, so lange, bis auf Redaktionsseite das Vertrauen so groß war, dass auch ein Anruf mit der schlichten Frage: „Gibt’s bei Ihnen was Neues?“ oder dem Hilfsersuchen: „Wir haben diskutiert, das könnte doch ein Thema sein, was sagen Sie dazu?“ kein Thema mehr war. Das Internet hilft mir heute ungemein beim Kontakthalten unterhalb dieser Schwelle, die wir alle kennen, dieser Hürde: „Den sollte ich mal wieder anrufen, aber ich will ihn nicht stören oder im falschen Moment erwischen.“

Agenda Setting im Web 2.0? Ja: Auf Basis gewachsener Vertrauensverhältnisse! Und nur so.

Social Media und Social Networks können Public-Relations-Verantwortlichen sowohl beim Beobachten als auch beim Setzen von Themen großartige Dienste leisten. Allerdings haben sie nicht den Charakter kurzfristig nutzbarer Werkzeuge. Zunächst müssen Sie investieren. Seit Social-Media-Instrumente in der breiten Diskussion sind habe ich schon einige Male Last-Minute-Anfragen von Unternehmensseite erhalten. Strickmuster im Grunde genommen immer gleich: Wir haben da eine Veranstaltung in etwa vier bis acht Wochen. Da sollten wir noch etwas machen. Können wir da nicht ein paar Journalisten ansprechen? Per Twitter? Oder per Xing? Schon die Frage macht klar: Nein, können „wir“, also in diesem Fall der Fragensteller und Kunde, nicht. Denn wer sein via Xing oder Twitter genutztes persönliches Netzwerk so wenig einschätzen kann, dass er die Frage nicht selbst zu beantworten vermag, der ist einfach noch nicht so weit.

Der Kanal ist sekundär. Social-Media-Instrumente sind, weil sie so viele PR-Menschen falsch verstehen, sicherlich primär ein weiterer Weg, auf dem wir Public-Relations-Menschen Journalisten nerven und von ihrer Arbeit abhalten. Richtig verstanden sind sie ein Weg, um Kontakt zu halten und langfristig Vetrauen aufzubauen. Die eigentliche Kontaktaufnahme zum konkreten Anlass erfolgt dann mit viel höherer Wahrscheinlichkeit per E-Mail oder womöglich per Telefon als per Twitter, Facebook oder gar Xing. Schmunzelnd erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an den genervten Profileintrag eines mir ganz gut bekannten Journalisten bei Xing, der sich auf diesem Wege verbat, Informationen von PR-Menschen über dieses Social Network zu erhalten. Dazu, schrieb er dort, gebe es schließlich die Redaktionsadresse. Als ich Monate später dem gleichen Journalisten ganz spontan per Facebook-Chat ein Thema vorschlug, fiel mir das siedend heiß wieder ein, ich entschuldigte mich. „Ach“, war die Reaktion, „das gilt doch nicht für Dich; wir kennen uns ja!“

Was denken Sie: Lässt sich via Twitter und Facebook schneller der Draht in klassische Redaktionen finden? Oder pflichten Sie mir in meiner Einschätzung bei, dass die schnelle Kontaktaufnahme mit Redakteuren über Twitter und Facebook ohne gewachsene Bindungen eine Illusion ist?

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