Wenn man Social-Media-Aktivitäten von Unternehmen, mit denen man noch nicht zusammenarbeitet, von außen und ohne Insiderwissen unter die Lupe nimmt, fallen einem immer wieder die gleichen Fehler auf.
So kam ich zu dieser mitten aus der Praxis gegriffenen Liste von zehn Social-Media-Fehlern, die Unternehmen nicht begehen sollten – und die eigentlich gar nicht so schwer zu vermeiden sind. Spontan aus dem Ärmel geschüttelt und wartend auf Ihre und eure Ergänzungen:
1. Zu wenig Gesicht, keine Menschen:
Immer wieder fällt uns auf, dass Unternehmen Social Media Accounts aufsetzen, aber konsequent vermeiden, auch Gesicht zu zeigen. Dabei zeigt die Praxis ganz klar: Das Social Media Networking beispielsweise bei Twitter funktioniert einfach viel leichter, wenn Personen im Spiel sind und nicht nur anonyme Unternehmenslogos. Selbst wenn ein Unternehmen nicht den Königsweg gehen möchte und auch Einzelpersonen als Markenbotschafter mit persönlichen Twitter Accounts positionieren will – so kann man Twitter Accounts personalisieren, indem man die beteiligten Sprecher im Hintergrundbild zeigt und diese ihre Tweets mit Kürzeln kennzeichnen, so wie das etwa (Kunde) Coca-Cola mit seinem Corporate Twitter Account für Deutschland macht.
2. Zu wenig Visuelles:
Die legendäre Macht der Bilder ist einfach Fakt. Emotionales und Visuelles gehören dazu, insbesondere bei der Pflege von Facebook-Seiten. Was gut aussieht oder auf den ersten Blick Humor, Überraschung oder sonstige Gefühle auslöst, das wird auch gerne geteilt. Hübsche Infografiken sind auch eine Möglichkeit (ups – eine Infografik mit genau diesen zehn Tipps wäre auch keine schlechte Idee, oder?)
3. Zu wenig Dialog:
Zu wenig Engagement. Nein, ich gehöre nicht zu den Anhängern sinnloser Fragen bei Facebook, wo doch selbst die Zeit schon titelt, Facebook beginne zu nerven und Kollege Ed Wohlfahrt die Frage stellt: Wie trivial darf’s denn sein? Ganz abgesehen davon, dass triviale Fragen und banale Statements überraschend gut funktionieren, indem sie Interaktion bringen – viele Likes für wenig Hirnschmalz. Dennoch, wenn wir uns manche Facebook-Seiten und auch manche Twitter Accounts ansehen, dann stellen wir fest, dass dort einfach nicht miteinander gesprochen wird – und auch nichts von den Fans kommentiert und geteilt wird. Weil sich der Seitenbetreiber sich auf’s vermeintlich „Wesentliche“ beschränkt. Ja nichts posten, das nicht eine offizielle Verlautbarung des Unternehmens ist. Viele Unternehmen betreiben Twitter Accounts, die schon seit ein, zwei Jahren existieren, Hunderte Tweets abgesetzt haben – und dafür nicht mal (in Summe!) zehn Retweets erhalten haben. Liegt am fehlenden Dialogkonzept. Am fehlenden Mut zum Alltäglichen und zur Spontaneität (alte Schreibweise, find‘ ich schöner). Im englischen Marketing Slang gibt’s für diesen mutigen Dialog den Begriff Engagement. Aus meiner Sicht (genau wie „Social Media“) ein wenig schwierig zu übersetzen – der Begriff heißt für mich, wie ich ihn einsetze, nicht „Engagement“ im Sinne von „Bemühung, Einsatz“, sondern eher: Verbindlichkeit im Dialog, Entgegenkommen, in den Dialog treten, Beteiligung an der Weiterentwicklung der Marken- und Unternehmenswerte ermöglichen und so eine Bindung herstellen. Die „Advertising Research Foundation“ hat laut Wikipedia (englisch) sogar eine Formel für Engagement aufgestellt:
Engagement + Trust x Targeted Audience = Brand Impact.
Ansage. Cool. Um es weniger mathematisch zu sagen: Mit den Leuten reden, nicht nur immer über neue Postings auf der Unternehmenswebsite, sondern auch mal über etwas Anderes (vielleicht nicht unbedingt die Themen, die gerade jeder bis zum Abwinken diskutiert, das ist mir persönlich zu sehr „me too“, wenn ich nicht wirklich etwas zu sagen habe, siehe „Aufschrei“-Debatte). Dann wird man glaubwürdiger und erreicht mehr als bloße Reichweite. Man verbessert seine Reputation. Das ist dann aus meiner Sicht der „Brand Impact“.
4. Unklare Positionierung der Social-Media-Präsenzen.
Relativ oft kommt es vor, dass Twitter Accounts oder Facebook-Seiten aus historischen Gründen oder wegen fehlender Gesamtstrategie gar nicht das halten, was sie versprechen. Etwa, weil eine Kampagnen-Seite bei Facebook nach Ende der Kampagne als Corporate Fanpage (will sagen: allgemeine Fanpage zum Unternehmen) weitergeführt wird, man die Seite aber weder umgestaltet noch bewusst umpositioniert. Oder weil eine Einzelperson im Unternehmen vorpreschte und einen Twitter Account einrichtete – aus Angst vor unangenehmen Fragen aber nicht den Mut hatte, diesen Account konsequent zum persönlichen- oder zum Unternehmens-Account zu machen. Oder andersrum: Im Unternehmen denkt man sich: Der twittert doch schon, dann halten wir anderen mal schön still. Soll die oder der sich doch die Finger verbrennen. Dann denkt man sich: Wird schon keiner merken. Böse Falle. Merkt nämlich jeder, und die Folge ist – wie bei den meisten anderen Fehlern – dass die Dialogbereitschaft der Leute da draußen geringer ist als es eigentlich möglich wäre. Weil sie nicht wissen, mit wem sie eigentlich sprechen. Weil sie verunsichert sind und irgendwie merken: Bei denen stimmt was nicht.
5. Zu wenig Networking:
Das ist teils vornehme Zurückhaltung oder Strategie – in Ordnung. Manchmal aber auch einfach falsche Bescheidenheit! Der größte Vorteil von Twitter ist, dass man bei Twitter anderen Menschen folgen kann. Das ist meines Erachtens die DNA von Twitter. Paradiesisch: Bei Twitter kann selbst der schüchternste Zeitgenosse super simpel networken. Einfach Leuten folgen. Die beißen nicht. Und wenn, sind sie selbst schuld. Aus Scheu oder falscher Bescheidenheit dümpeln viele Business Twitter Accounts mit Reichweiten von ein paar Dutzend oder Hundert Followern herum. Das ist verschenktes Potential! Leute, folgt Leuten, es tut nicht weh und erhöht eure Reichweite. Follow me, follow you. I, I follow. Leichter zu merken mit Ohrwurm.
Zu Twitter haben wir übrigens eine schöne Verteilseite mit vielen nützlichen Tipps.
6. Fehlen von Content Curation
Content Curation ist das ist das Posten toller Inhalte, die nicht von uns selbst sind, aber so spannend, dass wir sie trotzdem teilen möchten. Einfachste Variante: Man nehme einen Google Reader und richte sich interessante Feeds ein (unseren gibt’s übrigens hier). Auch aus dem Ausland. Auch aus angrenzenden Fachgebieten, nicht nur aus dem engsten eigenen Arbeitsgebiet. Ergebnis: Man wird inspiriert (und leider auch abgelenkt), muss nicht wiederkäuen, was die eh viel schlaueren Wettbewerber den ganzen Tag bei Facebook und Twitter posten (wobei man das durchaus auch kann, sollte und laut eigener Social Media Guideline hoffentlich auch darf), sondern kann die Debatte im Internet mit frischen Ideen bereichern – ohne ständig nur auf die eigenen Website zu verlinken (was ich zugegebenermaßen auch viel zu häufig mache). Bei der Gelegenheit: Mal was zugeben kommt im Web auch immer gut an.
7. Formfehler und Rechtliches:
Oft fehlt bei Facebook, Twitter & Co. ein richtiges Impressum, auch wenn 2.0-affine Rechtsanwälte wie Dr. Carsten Ulbricht nicht müde werden, öffentlich und gratis Tipps zu geben, wie man’s richtig macht. Kleinunternehmen, Shops und Vereine melden sich gerne als Personen statt als Seiten bei Facebook an. Geht auch nicht.
8. fehlendes Gegen-den-Strom-Schwimmen, fehlende klare Kante:
Man muss in Social Media nicht immer auf Mainstream machen. Nur weil alle über den Superbowl schreiben muss ich das nicht auch. Nur weil alle Unternehmen jetzt den Umgang mit Social-Media-Kritik lernen muss ich mir weder als Unternehmen noch als Person alles gefallen lassen. Eine Strategie für Krisenprävention muss her, dazu gibt’s auf dieser Website und auch im Buch allerhand zu lesen. Zur Krisenstrategie gehört aber auch, dass man auf anonyme Kritik und auf Schmähkritik nicht reagiert und dann auch mal einen Kommentar löscht, wenn die Strategie das vorsieht. Dann kann man auch auf empörte Nachfragen wie: „Warum wurde mein Kommentar gelöscht?“ ganz gelassen antworten: Weil das gegen unsere Spielregeln verstößt. Ganz klar: Je eindeutiger die Krisenstrategie definiert ist, desto selbstbewusster und sympathischer kann ein Unternehmen – oder auch eine Einzelperson – im Social Web auftreten. Man sollte sich nur auch an die eigenen Regeln halten – auch im Offline-Leben – weil man sonst schon mal öffentlich an den Pranger gestellt wird.
9. Vernachlässigen der eigenen Website:
Oh, ganz böses Thema. Viele Unternehmen bedenken nicht den Satz, dem ich in „Social Media Relations“ ein ganzes Kapitel gewidmet habe: „Ihre Website ist das Herzstück.“ Wenn die Website nicht social ist und wenn dort keinerlei Suchmaschinenoptimierung betrieben wird, dann verschenken Unternehmen unheimlich viel Potential. Um’s mal ganz flapsig auszudrücken: Wo sind denn Ihre Facebook Posts von vor zwei Jahren? Was bringen Ihnen Ihre 587 Tweets seit Mitte 2010? Die Frage können nur Kommunikatoren positiv beantworten, die jegliche Dynamik von Social Media mit ihrer Website verknüpft haben.
10. keine Strategie für’s Team:
Schade, wenn Social-Media-Präsenzen ganz attraktiv gemacht sind, man aber schon von außen erkennt, dass hier ein Einzelkämpfer ohne Rückhalt im Unternehmen vor sich hinwerkelt. Das merken auch Außenstehende, und das macht die Sache nicht glaubwürdiger.
Falls diese Anregungen Ihnen gefallen haben, empfehle ich Ihnen einen Blick in mein Fachbuch „Social Media Relations“, das seit 2010 zu den meistverkauften Büchern über Social Media in Marketing und PR in Deutschland zählt und Ende 2012 in komplett überarbeiteter Neuauflage erschienen ist.
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